Dienstag, 16. März 2010

MARION KRAMER - Stinknormal LP 1982


Ach, was war das eine herrliche Zeit, als die großen Plattenfirmen noch der Zeit hinterherhinkten und krampfhaft versuchten die Höhe dieser wieder zu erreichen.
Da gab es 1980/81 doch plötzlich eine Untergrund-Szene in Deutschland, die es geschafft hatte (mit ihren deutschen Texten) industrie-unabhängige Produktionen zu veröffentlichen und tatsächlich eine Käuferschaft zu finden, die zunehmend größer wurde.
Oh weh! Da hatte man irgendwie was verpasst. Das durfte natürlich nicht sein. Da musste was passieren. Wie konnte man bloß auf den Zug aufspringen und die Kontrolle übernehmen?
1982 reagierte man endlich (verspätet) und versuchte nun diese neuen deutschen Interpreten aufzukaufen (Ideal), Altrocker umzudrehen oder (was am schönsten ist) Bands nachzubauen.
Leider gelang es der Industrie doch recht schnell mit Nena und anderen 'ZDF-NDW-Bands die Kontrolle des Marktes wieder an sich zu reissen, was natürlich die 'echte' Szene binnen kürzester Zeit ruinierte.
Aber zurück zu 1982:
In diesem sehr interessanten 'Übergangs-Jahr' kamen fast alle großen Plattenfirmen mit diversen Versuchsballons auf den Markt, vieles davon war aber doch sehr angestrengt, peinlich und so gar nicht 'echt'. Genau diese Bands/Produkte interessieren uns hier.
Hier kommt nun MARION KRAMER ins Spiel, als Paradebeispiel der verzweifelten und hilflosen Versuche der Industrie (hier RCA) eine rotzig-echte NDW Interpretin zu etablieren.
Dazu nehme man folgende Zutaten:
1. Ein bisschen Rockröhre und 2-3 Kraftausdücke von Nina Hagen 2. Etwas Frauenbewegtes und Jargon von Ina Deter 3. Ein Schuss 50's 4. Eine Brise Ideal 5. Eine Lederjacke.
Als Künstlernamen nimmt man was Ungeschminktes:
"Ha, da nehmen wir ganz streetcredibilty-mäßig deinen richtigen Namen, Marion!"
sagt der RCA A&R.
"Und wie soll meine Platte denn eigentlich heißen, was meinen Sie?"
"Hmm, es braucht etwas Punk, etwas Aufmüpfig-Frauenpoweriges..., verdammt, ich komm nicht drauf..."
"Sie meinen so was normales, wo sich die jungen Leute von der Strasse mit identifizieren können, ohne dass sich Bürger und Rentner allzu sehr erschrecken..."
"Ja, so wie damals Maggie Mae, als wir mit 7-8 Jahren Verspätung das Hippietum in den Schlager gebracht haben und der Opi das auch milde als 'frech' befand, und sich dann angstlos aufgeilen konnte an dem ulkigen ausgeflippten Mädel. So frischer Wind in der W*xbude"
"Aber wir müßen auch die Punker bedienen, bei mir in der Klasse sind mehrere, das ist jetzt wahnsinnig modern..."
"Darum geht es ja, Mädel. Schwupp: Jetzt hab ich's, Marion: 'STINKNORMAL', das hat genug Strasse und Aufmuckertum, tut dem Bürger aber auch nicht zu sehr weh, denn normal ist ja gut, die Norm quasi. Da ist ja nix Schlimmes bei, so ein aufgeklärtes Mädchen wie du darf ja wohl noch auf seine Rechte als Jugendlicher pochen!"
"Und mein Cover?" "Haste ne Lederjacke?" "Nee." "Dann leih dir eine bei Motorrad Meyer!"
"Das wichtigste für mich ist aber die Musik, an was haben Sie denn da für mich gedacht?"
"Wir haben da noch ein paar prima Altrocker im Stall, dazu hol' ich dir noch die Reste der Teens
und schon haben wir 'ne prima Wave-Band"
Und so kam es dann auch:
A1. Du kommst mir grade wie gerufen (3:03)
Das ist erstmal für die Rocker mit Synthie, fangen wir einfach mal an wie die Nina Hagen Band,
wilde Hexe trifft Traumtyp, der es gar nicht fassen kann, dass SIE ihn anmacht, wow!
Dass es stimmlich nicht ganz so hinhaut macht nix, die bei Reflektor können es auch nicht besser.
A2. Stinknormal (2:42)
Prima NDW-Jargon, irre schrill. Abgedrehte Frauen sagen an.
A3. Bunte Buttons (2:43)
Ah, die Single, da machen wir was genau wie Ideal, schnell so 'n paar flotte Klischees aufgereiht. Witzig, schnell, frech, neue Welle eben.
A4. Kino Kino (2:29)
Jetzt kommt der 50's Song. Das muß so ne schrille Beschreibung sein, aus so ner neu-naiven Sichtweise aber. Das darf man heute, ja muß man heute. Neue Sprache braucht der Markt.
A5. Ich zeige mein Gesicht (3:21)
Rocken. Echt sein, ehrlich sein, anders sein. Sich nix gefallen lassen. Diese Spießer haben es doch nicht anders verdient. Neue Mädels sind neu.
A6. Du bist so einer mit viel Herz (3:20)
Ja, die Fifties, das war ne tolle Zeit, gerade von 1982 aus betrachtet. Und so ein Schuss Showaddywaddy sollte sich auch noch immer gut verkaufen lassen. Nur die Männer sind immer gleich, aber man mag sie doch. Gefühle sind doch nicht verboten und auch moderne Girls lassen sie zu.
B1. Ein Junge aus gutem Haus (2:29)
Wieder der freche Ideal-jargon und auch die schnelle Mucke. Mensch diese Jungs, da muß man als Mädchen schon genau hinsehen -und das tut man auch. Herkunft zählt eben nicht mehr.
Die neue Gesellschaft ist klassenlos.
B2. Jetzt bin ich 18 (2:51)
Laßt die jungen Leute doch in Ruhe, ihr doofen Bürger! Heutzutage haben die 'ne eigene Identität und können selbst bestimmen, wann sie in die Disko gehen. Aufmucken!
B3. Pack dir das Leben (3:27)
'Damenklo', hach herrlich, da springen die Spießer im Dreieck, das Wort sollte in jedem Wave Song vorkommen. Raus aus dem Muff! Schnarch...
B4. Du bist so schön (3:10)
Wie gehabt. Wahnsinniges Wortspiel: 'Du bist so schön........ka-putt'
"Immer noch nicht genug Material für die LP?! Haben wir nicht noch irgendwo Füllmaterial?"
"Ich hab dir doch schon mindestens 4 Stücke gegeben!"
B5. Genug ist genug (2:30)
"Haben wir mmer noch nicht genug Material für die LP?! Haben wir nicht noch mehr Füllmaterial?"
"Ich hab dir doch schon mindestens 5 Stücke gegeben!"
Erstaunlicherweise erschien der Titel als A-Seite der 2. Single des Albums...

Download:
http://www.megaupload.com/?d=0H00OKZA

2 Kommentare:

  1. hrhr schön geschrieben :)
    etwas nena-like ist auch die pose von der guten marion

    immerhin, die musiker beherrschen ihre instrumente *g

    wie schimpft sich das kino-lied, ich kann es auf dem back-cover nicht lesen???

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  2. Genial geschrieben! Ich finde die Platte sogar recht unterhaltsam.

    Schade, dass dieser Blog nicht weitergeführt wurde.

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